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Facebook Instant Articles – die fünf zentralen Fragen

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Facebook und die Zeitungen – es ist kompliziert

Um einen Artikel bestimmter Medien zu lesen, müssen Nutzer künftig Facebook nicht mehr verlassen. Der Artikel wird direkt in den Newsfeed von Facebook geladen – optisch schön aufbereitet, optional samt Multimediainhalten und auch Werbung, von der die Verlage profitieren sollen.

Facebook Instant Articles - Beispiel eines Artikels von National Geographic auf dem Smartphne

Foto: Facebook

Instant Articles heißt die neue Funktion für ausgewählte Medienpartner – und ich finde sie gleich auf mehreren Ebenen spannend: Zunächst einmal wäre da die Erkenntnis, dass schlanke und reduziert ausgespielte Inhalte in Zeiten des mobilen Internets wieder ihre Berechtigung haben. Jeder, der schon einmal verzweifelt versucht hat im Zug bei schlechtem Netzempfang einen Artikel aus dem Twitter- oder Facebook-Stream zu öffnen, weiß sofort, was ich meine.

  1. „Du kommst hier nicht rein“ – Facebook Articles ist ein exklusiver Club

Dann finde ich das Vorgehen von Facebook interessant – und die Reaktion der Medienhäuser: Instant Articles ist eine Art Club, in den nicht jeder sofort reingelassen wird. In Deutschland sind bisher nur Spiegel Online und Bild.de dabei – und die Bild.de ist das einzige Boulevardmedium weltweit, das bisher bei Instant Articles mitmachen darf. Facebook ist gezielt weltweit auf entweder qualitativ hochwertige oder besonders reichweitenstarke Medien zugegangen – neben den beiden deutschen Medien sind unter anderem Buzzfeed, The New York Times, National Geographic, The Guardian oder BBC News dabei.

Natürlich wird in den Verlagen und Redaktionen diskutiert und nicht alle sind überzeugt von dem Weg – aber vielleicht hat Facebooks Vorgehen hier auf einzelne Medien gezielt zuzugehen statt wie Google bei Google News sofort jeden ungefragt zu syndizieren, die Stimmung zugunsten von Facebook beeinflusst.

Die Medienpartner von Facebook Instant Articles

  1. Verlage profitieren von Werbeerlösen, Analyse-Daten und Reichenweitenmessung

Zentral ist natürlich auch Facebooks Versprechen, dass die Verlage die Hoheit über Inhalte und Anzeigen der Artikel behalten, obwohl diese von den Servern von Facebook abgerufen werden – was auch aus Performance-Gründen sinnvoll ist. Auch sollen die Verlage über Comscore und andere Analyse-Werkzeuge die anfallenden Daten auswerten können – inklusive der in Deutschland Messung der Reichweite über einen Pixel der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträger (IVW). Und last but not least sollen sogar die Einnahmen aus der Werbung komplett bei den Verlagen landen.

  1. Was hat Facebook davon? Plattformen vs. Commodities

Bleibt die Frage: Was hat Facebook davon? Ganz einfach: Im Zeitalter des Internets teilt sich die Wirtschaftswelt immer stärker in Plattformen und Commodities – also Waren und Dienstleistungen, die über die Plattformen bezogen werden. In der Regel entwickeln sich die Plattformen durch den Netzwerkeffekt schnell zu einem Quasi-Monopol in ihrem Bereich und sind daher hochprofitabel. Die Anbieter der Waren und Dienstleistungen dagegen büßen stark an Macht ein und müssen ihre Angebote zu Preisen nahe am Deckungsbeitrag verkaufen – die hohe durch die Plattform geschaffene Preistransparenz sei Dank. Während der Plattformbetreiber also in der Regel hochprofitabel arbeitet, liefern die Zulieferer für die Plattform ihre Waren und Dienstleistungen gerade so teuer aus, dass ihnen eine winzige Marge bleibt – sonst gibt es einen anderen Anbieter, der den Auftrag übernimmt.

Die Plattform für gezielte Suchen von Inhalten aller Art im Internet ist Google, die Plattform für Produkte Amazon und die Plattform für soziale Interaktionen Facebook. Facebook will der zentrale Platz im Netz sein, an dem sich Nutzer über Neuigkeiten informieren, ohne dass sie gezielt nach etwas suchen – seien es Klatsch und Tratsch aus dem Bekanntenkreis oder eben Nachrichten.

Nachrichtenportale wie Spiegel Online haben bis heute den Anspruch die erste Anlaufstelle im Netz zu sein, um sich über Nachrichten zu informieren. Die Homepage – also Startseite des Nachrichtenangebots – soll Wegweiser sein und das Auge schnell auf die wichtigsten Nachrichten lenken. Durch Suche und in den letzten Jahren vor allem das Social Web hat die Homepage an Bedeutung verloren, ist aber noch lange nicht tot – zumindest nicht für Medien mit starker Marke. Wer stark nachrichtlich interessiert ist, wird auch künftig noch die Homepage von Nachrichten-Portalen gezielt ansteuern.

Wer dagegen aber bisher vielleicht ein Mal am Tag Spiegel Online aufgerufen hat, um zu sehen, ob etwas Wichtiges passiert ist, wird darauf künftig dank Facebook Instant Articles noch eher verzichten können. Wenn es Wichtiges passiert wäre, hätte man es ja auf Facebook mitbekommen. Andererseits bringt Instant Articles Nachrichten zu Nutzern, die ansonsten vielleicht gar nicht auf gezielt auf Nachrichtenseiten surfen – und erhöht damit die Reichweite.

  1. Erhöhen Instant Articles den Preis von Online-Werbung?

Eine weitere spannende Frage wird sein, was Werbekunden für das Format zu zahlen bereit sind. Konzentrieren sich die Medienhäuser bei ihren Facebook-Inhalten auf die wichtigsten und optisch schön aufbereiteten Nachrichten, kann ich mir durchaus vorstellen, dass der Tausender-Kontakt-Preis für Werbung hier deutlich höher liegt als bei klassischer Bannwerbung online. Das gilt um so mehr, wenn mit dem Format auch neue innovative Werbeformate entwickelt werden, die der Nutzer wahrnimmt, ohne dass sie ihn stört. Für klassische Bannwerbung auf den Onlineportalen sind derzeit beide Kriterien nicht erfüllt.

Facebook selbst hat es geschafft, Werbeformate zu entwickeln, die diesen Kriterien genügen und sogar mobil funktionieren, was das soziale Netzwerk sogar Google voraus hat. Bei Facebook heißt es, dass die Verlage nicht verkaufte Anzeigenplätze über das Audience Network von Facebook vermarkten können. Vielleicht wird Facebook allein deshalb für News Formate entwickeln, die besser funktionieren als Bannerwebung.

  1. Löst Facebook das Problem von Nachrichten im Social Web – und lässt es sich das langfristig bezahlen?

Ein Problem beim Konsum von Nachrichten, das Facebook aus Nutzersicht mit Algorithmen lösen kann, ist dass bisher bei RSS-Readern aber auch sozial kuratierten Nachrichtenfeeds wie Twitter große Medienereignisse wie der Tod einer Person den Nutzer Dutzendfach erreichen – nur eben von vielen verschiedenen Quellen. Dann wäre Facebook in der mächtigen Position zu entscheiden, welches Medium welchem Nutzer eine Nachricht überreichen darf. Und genau in diesem Zentrum der Macht liegt wieder ein mögliches Geschäftsmodell: So wie Medien und andere Seitenbetreiber bei Facebook heute schon Geld dafür bezahlen müssen, um auch wirklich alle Nutzer zu erreichen, die ihre Seite „geliked“ haben, könnte Facebook dann irgendwann Medien dafür zur Kasse bitten, dass sie der Überbringer einer Nachricht sind und nicht die Konkurrenz. Plattform zu sein lohnt sich immer im Internet.

Weitere lesenswerte Beiträge zum Thema:

Tools don’t solve the web’s problems, they ARE the problem

Peter-Paul Koch verweist darauf, dass Facebook die im mobilen Netz höhere Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit beim Anzeigen von Artikeln vor allem durch das Weglassen von Überflüssigen erreicht – die Texte werden ohne das auf Zeitungseiten übliche Drumherum aus weiterführenden Artikeln, Menüs, meistgelesene Artikel und optischen Störelementen angezeigt, die die Ladezeiten normalerweise verlängern.

instant articles = gepimptes RSS zu facebook-bedingungen

Felix Schwenzel schreibt, dass es genau so etwas wie Instant Articles im Web eigentlich schon lange gibt aber inzwischen kaum noch genutzt wird: Volltext-RSS. Übrigens ist es zwar richtig wie Felix schreibt, dass RSS Werbung erlaubt – die Reichweitenmessung mittels IVW-Pixel ist aber mindestens schwierig.



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